Ich freue mich, einen Artikel vorstellen zu dürfen, den Trainerkollege Till Sukopp kürzlich in seinem Blog gepostet hat.
Dr. Till Sukopp ist Diplom Sportwissenschaftler und hat im Fach Sportmedizin promoviert. Till kann als der führende deutsche Experte im Kettlebell-Training bezeichnet werden. Zudem ist er einer der ersten und bekanntesten Trainer, die das Training mit dem eigenen Körpergewicht (Body Weight Training) und das sogenannte funktionelle Training (Functional Training) in jüngerer Zeit in Deutschland bekannt gemacht haben.
Seit einigen Jahren lerne ich gerne von Till über seine Artikel, Videos und E-Books und habe auch schon einige seiner Seminare besucht.
Im Hinblick auf das Thema des hier vorgestellten Artikels ist zudem erwähnenswert, dass Till vor seiner aktuellen Functional Training- und Kettlebell-Karriere die Sporttherapie einer Einrichtung für Prävention und orthopädische Rehabilitation leitend aufgebaut hat.
Und jetzt geht das engagierte Wort an Dr. Tilll Sukopp:
Wir schonen uns zu Tode – nimm beim Training mehr Gewicht in die Hand
„Beim Training von Anfängern sehe ich es häufig und in Gesprächen stelle ich auch öfters fest, dass viele Trainierende, die ihre Fitness verbessern wollen, unterschwellige Reize setzen und somit kaum nennenswerte Trainingserfolge erzielen. „Die Belastung ist zu hoch“, denken viele und grundsätzlich begrüße ich es, wenn man nicht nach der „Hau-drauf-Methode“ vorgeht. Sobald jedoch die Bewegungsfähigkeit und Technik stimmen, sollten bei gesunden Menschen fordernde Gewichte in die Hand genommen werden, damit im Körper die gewünschten strukturellen Anpassungen erfolgen können. Ein Beispiel: Ich habe schon öfter gehört, dass Menschen beim Einstieg ins Kettlebell-Training mit 2, 4, 6 oder 8 kg beginnen. Das ist jedoch in der Regel viel zu wenig und kann sogar gefährlich sein. Der Körper benötigt ein gewisses Gewicht – besonders, wenn man das Training mit freien Gewichten noch nicht gewohnt ist – damit sich sämtliche Muskeln anspannen, um den Körper zu stabilisieren.
Sonst ist die Gefahr groß, dass man mit falscher Technik hebt, sich überlastet oder dieses falsche Bewegungsmuster dann im Alltag noch häufiger oder gar mit wirklich schweren Lasten durchführt.
Beim Training mit freien Gewichten sollten im Kraftbereich überwiegend nur 3 bis 10, eventuell noch 12 technisch saubere Wiederholungen möglich sein und nicht mehr.
Viele wissen jedoch gar nicht, wie sich das anfühlt, wenn innerhalb dieser Wiederholungszahlen die Technik versagt. In diesem Fall rate ich dazu, bei den jeweiligen Übungen mit dem aktuell verwendeten Gewicht als Test einmal so viele Wiederholungen wie möglich durchzuführen oder bis die Technik nachlässt.
Meine Erfahrung ist die, dass erstaunlich viele Menschen deutlich mehr Wiederholungen als vorgegeben machen können, was im Umkehrschluss bedeutet, dass das Training gar nicht die erwünschten Ergebnisse erzielen kann.
Bezogen auf Kettlebells sollten Frauen mit 8 bis 12 kg bei den Schwungübungen beginnen und Männer mit 12 bis 16 kg. Aber dann kann auch stetig gesteigert werden.
Bei uns schwingen Frauen Kugeln mit 32 kg oder auch mehr.
Kein Wunder, dass die immer stärker werden, während die anderen auf ihrem Leistungsniveau versauern.
Sobald die Technik stimmt, die man z. B. schnell und sicher durch unsere Seminare erlernen kann, sollte das Gewicht, je nach Trainingsziel und -plan erhöht werden, so dass man deutlich gefordert ist. Sonst kann der Körper nicht die gewünschten Anpassungen machen.
Wir schonen uns zu Tode und wundern uns dann wie fragil wir werden, obwohl der Mensch ein äußerst robustes Wesen ist.
Im Alltag nehmen wir Aufzüge und Rolltreppen (selbst auf der Fitnessmesse FIBO nehmen die meisten Besucher die Rolltreppen… !), bei meinen Kettlebell-Instructorausbildungen musste ich Männern schon erklären (zum Glück nur sehr wenige Male), warum denn die Übung „Türkish Get-up“ mit 16 kg und nicht mit 12 kg durchgeführt werden muss.
Ganz ehrlich: 16 kg ist dabei doch überhaupt kein Gewicht, schon gar nicht, wenn man eine Instructor-Ausbildung im Krafttrainingsbereich macht!
In einer Stadt in Bayern wurde vor ein paar Jahren ein gutes Klettergerüst auf einem Schulhof installiert, damit sich die Schüler in den Pausen wieder mehr bewegen, anstatt nur still zusammenzustehen und mit gesenkten Köpfen auf ihren Handys herumzutippen.
Was passierte? Ein Kind ist beim Absteigen oder Herunterfallen vom Klettergerüst mit dem Fuß umgeknickt und hat sich etwas verletzt. Ein Aufschrei ging durch die Elternschaft, der dafür geführt hat, dass dieses „gefährliche“ Klettergerüst nicht noch weitere Kinder verletzten kann und wieder abmontiert wurde.
In den Schulsporthallen, werden zunehmend die Kletterseile, -stangen und -leitern abgebaut, damit sich die Kinder nicht verletzen.
Da fehlen mir doch die Worte. Was schützt denn das im Bewegungsbereich talentfreie Kind, wenn es sich selbst überlassen durch den Alltag oder die Natur turnt? Ein großer Teil der heutigen Kinder hat zunehmend weniger Körper- und Bewegungsgefühl, kommt nicht mit den Fingern bei gestreckten Beinen zum Boden, kann nicht in der tiefen Hocke sitzen, kann nicht rückwärts laufen, kann keinen Purzelbaum schlagen und schon gar nicht mehr sicher klettern.
Sollen wir uns und unsere Kinder weiterhin so schonen, um sie auf ein kurzes und gesundheitlich leidvolles Leben im Sitzen vorzubereiten?
Es geht auch ganz anders: Ich habe einmal jemanden getroffen, der ein Naturvolk im Regenwald besucht hat und u. a. auch mit auf die Jagd ging.
Der Jäger war ca. 90 Jahre alt und eilte mit hohem Tempo voran, wobei er ständig die Baumwipfel absuchte und dennoch geschickt um die Bäume herumkam, während die Besucher kaum Schritt halten konnten. Als er einen Affen erspät hatte, hielt er an, nahm sein Blasrohr und traf mit einem gekonnten Schuss den Affen, der erschrocken vom Treffer durch die Baumkronen flüchtete.
Um ihn nicht zu verlieren, rannte der 90-Jährige Jäger mit hohem Tempo hinterher und fand den Affen dann schließlich tot im Baum hängen. Also kletterte er ohne zu zögern den Baum hinauf, schüttelte den Affen herunter und warf ihn sich unten wieder angelangt über die Schulter.
Dann ging es unter der Zusatzlast des Affen auf den Schultern wieder strammen Schrittes zurück ins Lager.
Auch, wenn ich weniger auf die Affenjagd aus bin, dann will ich doch all diese körperlichen Fähigkeiten noch haben, wenn ich 90, 100 oder älter bin.
Darum geht es mir beim Training und nicht um Waschbrettbäuche oder sonstige vermeintliche „Fitnesssymbole“. Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden.
Wir leiden alle unter einem eklatanten Bewegungsmangel. Selbst die höchste Bewegungsempfehlung des American College of Sports Medicine beinhaltet immer noch nur halb so viel Bewegung wie sie einige Naturvölker auch heute noch bekommen.
Da wir nicht so viel Zeit zum Bewegen haben, sollten wir jedoch die knappe Zeit, in der wir körperliche Aktivität künstlich mittels eines gezielten Trainings herbeiführen müssen, so effizient wie möglich nutzen.
Und bezogen auf das Krafttraining gehören nun einmal hohe Wiederstände oder Gewichte ins Training, wenn wir etwas bewirken wollen.“
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Wenn Du deine Fitness und Stabilität wirksam verbessern möchtest, empfehle ich Dir für Köln und Umgebung in Tills Primal Fitness Box zum regelmäßigen Kleingruppentraining vorbeizuschauen oder eines seiner hervorragenden Seminare zu besuchen.