Meditationen Marcus Aurelius

Die „Meditationen“ des Marcus Aurelius, auch bekannt als die Selbstbetrachtungen von Mark Aurel

Die Meditationen des Marcus Aurelius, Buchcover
Meditationen: Stoische Selbstbetrachtungen von Marc Aurel

Meine neue Ausgabe der Meditationen basiert auf der alten deutschen Übersetzung „Mark Aurel’s Meditationen“ aus dem Griechischen von F. C. Schneider. Diese habe ich an die aktuelle Rechtschreibung angepasst und wo nötig „ins Reine geschrieben“. Die altmodische Ausdrucksweise von Schneiders „Meditationen“-Ausgabe aus dem 19. Jahrhundert ist dabei weitgehend erhalten geblieben, da diese in meinen Augen gut zu einem solchen knapp 2000 Jahre alten Buch-Klassiker passt.

Die Kapitelnummerierung der Meditationen, also die Aufteilung in zwölf „Bücher“ ist beibehalten, die Nummerierung der einzelnen Meditationen oder Selbstbetrachtungen habe ich fallen gelassen und den Meditationen statt dessen pointierte Überschriften gegeben.

Als besondere Zugabe habe ich in meiner Ausgabe der Meditationen  jedem der zwölf „Bücher“ dieser stoischen Selbstbetrachtungen Marc Aurels ein klassisch gereimtes Gedicht vorangestellt, das einige der Meditationen des jeweiligen Buches (Kapitels) aufnimmt und lyrisch interpretiert zusammenfasst.

Und nun viel Freude und Erkenntnisgewinn beim vielleicht erstmaligen Erkunden der „Meditationen“ oder „Selbstbetrachtungen“ des letzten großen Stoikers und Philosophen-Kaisers Marcus Aurelius Antoninus Augustus – auf Deutsch bekannt als Marc Aurel oder Mark Aurel.


Herkunft und geistiges Erbe

Meditationen Marcus Aurelius. Marc Aurels Selbstbetrachtungen, Erstes Buch

Meditationen – Erstes Buch

Was wär‘ ich ohne meine Ahnen,
Die vor mir gingen diesen Weg,
Und ohn‘ die Lehrer, die da kamen,
Damit ich meinen Geiste pfleg.
Ich danke ewig ihnen allen,
Sie machten aus mir, was ich bin –
Ihn‘ und den Göttern zum Gefallen
Geb ich mich ganz der Tugend hin.

* * *


​Großvater Marcus Annius Verus

Von meinem Großvater Verus weiß ich, was edle Sitten sind, er gab mir Milde und Gelassenheit.

​ Vater Annius Verus

Meinem Vater sagte man nach, er habe einen echt männlichen und dabei doch bescheidenen Charakter besessen, worin ich ihm nachahmte.

​ Mutter Domitia Lucilla

Meiner Mutter Werk ist es, wenn ich gottesfürchtig und wohltätig bin; wenn ich nicht nur schlechte Handlungen, sondern auch schlechte Gedanken fliehe; und dass ich einfach lebe und nicht im gewöhnlichen Luxus der Reichen.

​ (Stief-)Urgroßvater Lucius Catilius Severus

Mein Urgroßvater* litt nicht, dass ich die öffentlichen Schulen besuchte, sondern sorgte dafür, dass ich zu Hause von tüchtigen Lehrern unterrichtet wurde, und überzeugte mich, dass dies allen Aufwand und Kosten wert sei.

* mütterlicherseits

​ Erzieher

Mein Erzieher ließ nicht zu, dass ich mich an dem üblichen Parteinehmen und Wetten bei Rennen und Kämpfen beteiligte. – Er lehrte mich Mühen zu ertragen, wenig bedürfen, selbst die Hand ans Werk zu legen, mich nicht zu kümmern um anderer Leute Angelegenheiten und einen Widerwillen zu haben gegen Angeberei.

​ Hauslehrer Diognetus

Diognet bewahrte mich vor allen unnützen Beschäftigungen; vor dem Glauben an das, was Wundertäter und Gaukler von Zauberformeln, vom Geisterbannen usw. lehrten; davor, dass ich Wachteln hielt und vor andern solchen Passionen.

Er lehrte mich ein freies Wort vertragen, gewöhnte mich an philosophische Studien, schickte mich zuerst zu Bacchius, dann zu Tandasis und Marcian, ließ mich schon als Knabe Dialoge verfassen und bewirkte es, dass ich kein anderes Nachtlager als ein Bretterbett und eine Tierhaut begehrte und was sonst zur Lebensart der griechischen Philosophen* gehört.

* Stoiker

​ Stoiker Rusticus

Dem Rusticus verdanke ich, dass es mir ein Anliegen ist, in sittlicher Hinsicht für mich zu sorgen und an meiner Veredlung zu arbeiten; dass ich frei blieb von dem Ehrgeiz der Sophisten; dass ich keine leeren Theorien aufstellte, noch Reden hielt nur um Beifall zu erhaschen, noch prunkend mich als einen streng und wohlgesinnten jungen Mann darstellte und dass ich von rhetorischer, poetischer und stilistischer Schönrednerei Abstand hielt; dass ich zu Hause nicht im Staatskleide einherging oder derartiges tat und dass die Briefe, die ich schrieb, einfach waren, so einfach und schmucklos wie der seinige an meine Mutter von Sinuessa aus.

Ihm habe ich’s auch zu danken, wenn ich mit denen, die mich gekränkt oder sonst sich gegen mich vergangen haben, leicht zu versöhnen bin, sobald sie nur selbst dazu bereit sind.

Auch lehrte er mich, was ich las, genau zu lesen und mich nicht mit einer oberflächlichen Kenntnis zu begnügen; auch nicht gleich beizustimmen dem, was oberflächliche Beurteiler sagen.

Endlich war er es auch, der mich mit den Erklärungen Epiktets bekannt machte, die er mir aus seinen Büchern mitteilte.


Buch "Meditationen: Stoische Selbstbetrachtungen von Marc Aurel"

​ Stoiker Appollonius

Von Appollonius lernte ich die freie Denkart, zwar mit Bedachtsamkeit, doch ohne Wankelmut auf nichts Rücksicht zu nehmen als auf die gesunde Vernunft sowie stete Seelenruhe zu bewahren auch unter den heftigsten Schmerzen, beim Verlust eines Kindes und in langwierigen Krankheiten.

Er zeigte mir an seinem lebendigen Beispiele, dass man zugleich ernsthaft und heiter sein kann und dass man beim Studium philosophischer Werke die gute Laune nicht zu verlieren brauche.

Er ließ mich in ihm einen Menschen sehen, der es offenbar für die geringste seiner guten Eigenschaften hielt, dass er Übung und Gewandtheit darin besaß, die Grundgesetze der Wissenschaft zu lehren.

Von ihm lernte ich endlich auch, wie man von Freunden sogenannte Gunstbezeugungen aufnehmen müsse, ohne dadurch in Abhängigkeit von ihnen zu geraten und sich doch erkenntlich dafür zu zeigen.
​ ​

Platoniker Sextus (Enkel des Plutarch)

Von Sextus konnte ich lernen, was Herzensgüte sei. Er bot das Beispiel eines echten Familienvaters und gab mir den Begriff eines Lebens, das der Natur entspricht.

Seine Würde hatte nichts Gezwungenes, er wusste zuvorkommend die Wünsche seiner Freunde zu erraten und ertrug geduldig die Unwissenden und diejenigen, die ohne Überlegung urteilen.

Er war allen Menschen gegenüber freundlich, und so fand man seinen Umgang angenehmer als alle Schmeicheleien und empfand gleichzeitig eine tiefe Hochachtung für ihn.

Sextus verstand es, die zur Lebensweisheit erforderlichen Vorschriften klar und regelrecht zu entwickeln und zu vermitteln.

Niemals zeigte er eine Spur von Zorn oder einer andern Leidenschaft, sondern er war der leidenschaftsloseste und liebenswürdigste Mensch zugleich.

Er hielt auf den guten Ruf, jedoch ohne Aufsehen; er war hochgelehrt, aber ohne jede Zur-Schau-Stellerei.

​ Grammatiker Alexander

Von Alexander dem Grammatiker lernte ich, wie man sich jeglicher Scheltworte enthalten und es ohne Vorwurf hinnehmen kann, was einem in fehlerhafter, roher oder plumper Manier vorgebracht wird; ebenso aber auch, wie man sich geschickt nur über das, was zu sagen Not tut, auszulassen habe, sei’s in Form einer Antwort oder der Bestätigung oder der gemeinschaftlichen Überlegung über die Sache selbst, ohne den fehlerhaften Ausdruck direkt zu korrigieren, oder auch durch eine treffende anderweitige Bemerkung.

​ Redner Phronto

Durch Phronto gewann ich die Überzeugung, dass der Despotismus Missgunst, Unredlichkeit und Heuchelei in hohem Maße zu erzeugen pflege und dass der sogenannte Adel der Patrizier im Allgemeinen ziemlich unedel sei.

​ Platoniker Alexander

Von Alexander, dem Platoniker, habe ich gelernt, nur selten und niemals ohne Not zu sagen oder zu schreiben: Ich habe keine Zeit und nie ein solches Mittel zu gebrauchen, um unter dem Vorwand dringender Geschäfte die Pflichten, die uns die Freundschaft und die Gemeinschaft auferlegt, zurückzuweisen.

​ Stoiker Catulus

Catulus riet mir, dass ich’s nicht unberücksichtigt lassen sollte, wenn sich ein Freund bei mir über etwas beklagte, selbst wenn er keinen Grund dazu hätte, sondern dass ich versuchen müsste, die Sache ins Reine zu bringen.

Wie man seine Lehrer ehrte, sah ich an ihm; ebenso aber auch, wie lieb man seine Kinder haben müsse.

​ Severus (Verwandter)

Severus war mir ein Beispiel in der Liebe zu unseren Verwandten wie auch in der Wahrheits- und Gerechtigkeitsliebe.

Er machte mich mit Thraseas, Helvidius, Cato, Dio und Brutus bekannt und führte mich zu dem Begriff eines Staates, in welchem alle Bürger gleich sind vor dem Gesetz, und einer Regierung, die nichts so hoch hält als die bürgerliche Freiheit.

Von ihm lernte ich, immer dieselbe sich nie verleugnende Hochachtung für die Philosophie zu bewahren, wohltätig und freigebig zu sein, von meinen Freunden das Beste zu hoffen und auf ihre Liebe zu vertrauen.

Hatte er etwas gegen jemand, so hielt er damit nicht zurück, und seine Freunde hatten niemals nötig, zu erraten oder ihn auszuforschen, was er wollte oder nicht, weil es offen zu Tage lag.

​ Stoiker Claudius Maximus

Von Maximus konnte ich lernen, mich selbst zu beherrschen, nicht zu schwanken, sondern guten Mutes zu sein in misslichen Verhältnissen oder in Krankheiten.

Auch wie man in seinem Benehmen Weisheit mit Würde verbinden muss, und an ein Werk, das rasch auszuführen ist, doch nicht unbesonnen gehen darf.
Von ihm waren alle überzeugt, dass er gerade so dachte, wie er sprach, und er, was er tat, in guter Absicht tat.

Etwas zu bewundern oder sich verblüffen zu lassen, zu eilen oder zu zögern, ratlos zu sein und niedergeschlagen oder ausgelassen in Freude oder Zorn oder argwöhnisch – das alles war seine Sache nicht.

Aber wohltätig zu sein und versöhnlich, hielt er für seine Pflicht. Er hasste jede Unwahrheit und machte so mehr den Eindruck eines geraden als eines feinen Mannes.

Niemals hat sich einer von ihm verachtet geglaubt; aber ebenso wenig wagte es jemand, sich für besser zu halten, als er war. – Im Ernst wie im Scherze war er voller Geist und Anmut.


Blick ins Buch "Meditationen: Stoische Selbstbetrachtungen von Marc Aurel"

​ Adoptiv- und Schwiegervater Antoninus Pius

Mein Vater hatte in seinem Wesen etwas Sanftes, aber zugleich auch eine unerschütterliche Festigkeit in dem, was er gründlich erwogen hatte. Er war ohne Ehrgeiz hinsichtlich dessen, was man gewöhnlich Ehre nennt.

Er arbeitete gern und unermüdlich. Wer mit Dingen kam, die das gemeine Wohl zu fördern versprachen, den hörte er an und versäumte es nie, einem jeden die Anerkennung zu zollen, die ihm gebührte. Wo vorwärts zu gehen und wo einzuhalten sei, wusste er.

Er war umgänglich mit jedermann; erließ den Freunden die Pflicht, immer mit ihm zu speisen oder, wenn er reiste, mit ihm zu gehen und stets blieb er gleich gewogen auch denen, die er notgedrungen zu Hause ließ.

Seine Erörterungen in den Ratsversammlungen waren stets von großer Genauigkeit, er ging geduldig ins Detail und begnügte sich nicht mit schnellen Lösungen, bloß um die Versammlung für geschlossen zu erklären.

Er war sorgsam bemüht, sich seine Freunde zu erhalten, wurde ihrer niemals überdrüssig, verlangte aber auch nicht heftig nach ihnen.

Er war sich selbst genug in allen Stücken und immer heiter.

Er hatte einen scharfen Blick für das, was kommen würde, und traf für die kleinsten Dinge Vorbereitungen ohne Aufhebens zu machen, so wie er sich denn überhaupt jedes Beifallrufen und alle Schmeicheleien verbat.

Was seiner Regierung notwendig war, darüber wachte er stets, ging mit den öffentlichen Geldern haushälterisch um und ließ es sich ruhig gefallen, wenn man ihm darüber Vorwürfe machte.

Den Göttern gegenüber war er frei von Aberglauben, und was sein Verhältnis zu den Menschen betrifft, so fiel es ihm nicht ein, um die Volksgunst zu buhlen, dem großen Haufen sich gefällig zu zeigen und sich bei ihm einzuschmeicheln, sondern er war in allen Angelegenheiten nüchtern, besonnen, taktvoll und ohne Sucht nach Neuerungen.

Von den Dingen, die zur Annehmlichkeit des Lebens beitragen – und deren bot ihm das Glück eine Menge dar – machte er ohne zu prunken, aber auch ohne sich zu entschuldigen Gebrauch, so dass er, was da war, annahm, was nicht da war, auch nicht entbehrte.

Niemand konnte sagen, dass er ein Nörgler noch dass er ein ordinärer Mensch oder ein Pedant sei, sondern man musste ihn einen reifen, vollendeten, über jede Schmeichelei erhabenen Mann nennen, der wohl im Stande sei, sich und andern vorzustehen.

Dazu ehrte er die wahren Philosophen und zeigte sich nichtsdestoweniger nachsichtig gegen diejenigen, die es nur zum Scheine waren. In seinem Umgang ferner war er höchst liebenswürdig und scherzte gern, ohne darin zu übertreiben.

In der Sorge für seinen Leib wusste er das rechte Maß zu halten, weder sich schniegelnd noch sich vernachlässigend; sondern er brachte es durch die eigene Aufmerksamkeit gerade dahin, dass er den Arzt fast gar nicht brauchte und weder innere noch äußere Mittel nötig hatte.

Er war groß darin, denen, die wirklich etwas leisteten, sei’s in der Beredsamkeit oder in der Gesetzeskunde oder in der Sittenlehre oder in irgend einer anderen Disziplin, ohne Neid den Vorrang einzuräumen und sie wo er konnte zu unterstützen, damit ein jeder in seinem Fache auch die nötige Anerkennung fände.

Wie seine Vorfahren regierten, so regierte er auch, ohne jedoch die Meinung hervorrufen zu wollen, als wache er über dem Althergebrachten. Er war kein unbeständiger, unruhiger Geist und leicht von etwas abzubringen, sondern wo er gerade war und wobei, da pflegte er auch gern zu bleiben.

Nach den heftigsten Kopfschmerzen sah man ihn gleich wieder frisch und kräftig zu den gewohnten Geschäften eilen. Geheimnisse pflegte er nur äußerst wenige und nur um des gemeinen Wohles willen zu haben.

Verständig und mäßig im Anordnen von Schauspielen, von Bauprojekten, von Spenden an das Volk und dergleichen mehr, zeigte er sich als ein Mann, der nur auf seine Pflicht sieht, um den Ruhm aber sich nicht kümmert, den seine Handlungen ihm verschaffen können.

Er badete nur zur gewöhnlichen Stunde, liebte das exzessive Bauen nicht, legte auf das Essen keinen großen Wert, auch nicht auf Kleider und deren Stoffe und Farben, noch auf schöne Sklaven. Seine Kleidung ließ er sich meist einfach aus Lorium, seinem unteren Landgute, oder aus Lanubium kommen.

In seiner ganzen Art, zu sein, war nichts Unschickliches oder gar Schamloses oder Grobes oder wovon man sagt: »bis aufs Blut«, sondern alles war bei ihm wohl überdacht, ruhig, gelassen, wohl geordnet, fest und mit sich selbst im Einklang.

Man könnte auf ihn anwenden, was man vom Sokrates gesagt hat, dass er sowohl sich solcher Dinge zu enthalten im Stande war, deren sich viele aus Schwachheit nicht enthalten können, als auch dass er genießen durfte, was viele darum nicht genießen dürfen, weil sie sich gehen lassen.

Dort mutig zu ertragen, hier nüchtern zu bleiben, ist das Kennzeichen eines Mannes von einer starken und unbesiegbaren Seele, und so zeigte er sich auch während der Krankheit des Maximus.

​ Dank an die Götter

Den Göttern habe ich’s zu danken, dass ich treffliche Vorfahren, treffliche Eltern, eine treffliche Schwester, treffliche Lehrer, treffliche Diener und fast lauter treffliche Verwandte und Freunde habe und dass ich gegen keinen von ihnen fehlte, obgleich ich bei meiner Natur leicht hätte dahin kommen können.

Es ist eine Wohltat der Götter, dass die Umstände nicht so zusammentrafen, dass ich mir Schande auflud. Sie fügten es so, dass ich nicht länger von der Mätresse meines Großvaters erzogen wurde; dass ich meine Jugendfrische mir erhielt und dass ich meinem fürstlichen Vater untertan war, der mir allen Dünkel austreiben und mich überzeugen wollte, man könne bei Hofe leben ohne Leibwache, ohne kostbare Kleider, ohne Fackeln, ohne gewisse Bildsäulen und ähnlichen Pomp und dass es sehr wohl anginge, sich soviel als möglich bürgerlich einzurichten, wenn man dabei nur nicht nachlässig und sorglos würde in der Erfüllung der Pflichten, die der Regent gegen das Ganze hat.

Die Götter haben mir einen Bruder gegeben, dessen sittlicher Wandel mich antrieb, auf mich selber Acht zu haben, und dessen Achtung und Liebe mir gegenüber mich glücklich machten.

Sie haben mir Kinder gegeben, die nicht ohne geistige Anlagen sind und von gesundem Körper.

Den Göttern verdanke ich’s, dass ich nicht weiter kam in der Redekunst und in der Dichtkunst und in den übrigen [unwesentlichen] Studien, welche mich völlig in Beschlag genommen haben würden, wenn ich gemerkt hätte, dass ich gute Fortschritte darin machte.

Ebenso, dass ich mich beeilt habe, meine Erzieher frühzeitig schon zu solchen Ehrenstellen emporzuheben, die mir das Ziel ihrer Wünsche schienen, und ihnen nicht bloß Hoffnung machte, ich würde das später tun.

Ferner, dass ich Appollonius, Rusticus und Maximus kennen lernte; dass ich das Bild eines naturgemäßen Lebens so klar und so oft vor der Seele hatte, dass es nicht an den Göttern und an den Gaben, Hilfen und Winken, die ich von dorther empfing, liegen kann, wenn ich an einem solchen Leben gehindert worden bin; sondern wenn ich’s bisher nicht geführt habe, muss es meine Schuld sein, indem ich die Erinnerungen der Götter, ich möchte sagen, ihre ausdrücklichen Belehrungen, nicht beherzigte.

Den Göttern verdanke ich’s, dass mein Körper ein solches Leben so lange ausgehalten hat; dass ich keine Gemeinschaft mit der Benedikta oder dem Theodotus gehabt, sondern unreine Leidenschaften überwunden habe; dass ich in meinem heftigen Unwillen, den ich so oft gegen Rusticus empfand, nichts weiter tat, was ich hätte bereuen müssen; und dass meine Mutter, der ein früher Tod beschieden war, doch noch ihre letzten Jahre bei mir leben konnte.

Auch fügten sie’s, dass ich, so oft ich einen Armen oder sonst Bedürftigen unterstützen wollte, nie hören durfte, es fehle mir an den hierzu erforderlichen Mitteln, und dass ich selbst nie in die Notwendigkeit versetzt wurde, bei einem andern zu borgen.

Dann, dass ich eine solche Gattin besitze: so folgsam, zärtlich und in ihren Sitten so einfach und dass ich meinen Kindern tüchtige Erzieher geben konnte.
Die Götter gaben mir durch Träume Hilfsmittel an die Hand gegen allerlei Krankheiten, so gegen Blutauswurf und Schwindel.

Auch verhüteten sie, als ich das Studium der Philosophie anfing, dass ich einem Sophisten in die Hände fiel oder mit einem solchen Schriftsteller meine Zeit verdarb oder auf die Lösung ihrer Syllogismen mich einließ oder mit der Himmelskunde mich beschäftigte.

Zu allen diesen Dingen bedarf es der helfenden Götter und des Glückes.


Die Meditationen des Marcus Aurelius, Buchcover Abb. von "Meditationen: Stoische Selbstbetrachtungen von Marc Aurel"
Meditationen des Marcus Aurelius

"Meditationen: Stoische Selbstbetrachtungen von Marc Aurel", in neuer Ausgabe von Michael Csöff

Mensch, Vernunft und das große Ganze

Meditationen Marcus Aurelius. Marc Aurels Selbstbetrachtungen, Erstes Buch

Meditationen – Zweites Buch

Verwandt ist doch der Mensch mit allen
Bewohnern dieser Weltenstadt:
Erst strebt er und dann wird er fallen,
Egal, was er geleistet hat.
Sein Ziel, das sei, dem All zu dienen,
Den Göttern, dem Gesetz der Welt,
Der Tugend Freud soll ihm geziemen,
Bis sich das löst, was ihn hier hält.

* * *


​ Göttlich vereint

Sage Dir zu jeder Morgenstunde:

Heute werde ich einem vorwitzigen, einem undankbaren, einem schmähsüchtigen, einem verschlagenen oder neidischen oder unverträglichen Menschen begegnen. Denn solche Eigenschaften liegen jedem nahe, der die wahren Güter und die wahren Übel nicht kennt.

Habe ich aber eingesehen, zum einen, dass nur die Tugend ein Gut und nur das Laster ein Übel und dann, dass der, der Böses tut, mir verwandt ist, nicht durch Blut und Abstammung, sondern weil wir den gleichen Anteil der göttlichen Vernunft und Bestimmung teilen, so kann ich weder durch jemanden Schaden leiden – denn ich lasse mich nicht verführen – noch kann ich dem, der mir verwandt ist, zürnen oder mich feindlich von ihm abwenden, da wir ja dazu geboren sind, uns gegenseitig zu unterstützen, so wie die Füße, die Hände, die Augenlider, die Reihen der oberen und unteren Zähne einander dienen.

Darum ist es gegen die Natur, in Feindseligkeit miteinander zu leben und einander zu zürnen und sich voneinander abzuwenden.

​ Die Vernunft, das oberste Prinzip

Was ich bin, ist ein Dreifaches:

Fleisch, ein flüchtiger Lebenshauch und die das Ganze beherrschende, leitende Vernunft. – Lege bei Seite, was Dich zerstreut, die Bücher und alles, was hier zu nichts führt; sondern einmal:

Das Fleischliche achte gering wie ein Sterbender. Es ist Blut und Knochen und ein zerbrechliches Geflecht aus Nerven, Adern und Gefäßen.

Dann betrachte Deinen Lebensatem und was er ist: ein Hauch; nicht einmal immer derselbe, sondern fortwährend ausgegeben und wieder eingesogen.

Drittens schließlich das, was die Herrschaft führt. Dabei sei kein Tor: Du bist nicht mehr jung – lass nicht länger zu, dass die Vernunft untergeordnet sei; dass sie und damit Dein wahres Menschliches von niederen Trieben entfremdet werde; dass sie dem verhängten Schicksal oder dem gegenwärtigen Augenblick grolle oder dem ausweiche, was da kommen soll.

​ Harmonie und Vorsehung

Das Göttliche ist vorsehungsvoll; auch das scheinbar Zufällige ist nach Art und Zusammenhang nicht zu trennen von dem wohl Geordneten. – Alles geht von der Vorsehung aus.

Hiermit verbunden ist auch das Notwendige und was dem gesamten Universum, dessen Teil Du bist, zuträglich ist. Jedem Teil der Natur ist das gut, was der Natur des Ganzen entspricht und wovon dieses wiederum getragen wird.

Die Harmonie der Welt wird erhalten durch die Verwandlungen der Grundstoffe sowie der daraus zusammengesetzten Dinge. – Das möge Dir genügen und stets zur Lehre dienen.

​ Nutze Deine Zeit

Erinnere Dich, seit wann Du das nun schon aufschiebst, und wie oft Dir die Götter Zeit und Stunde dazu gegeben haben, ohne dass Du sie nutzt.

Endlich solltest Du doch einmal einsehen, was das für eine Welt ist, der Du angehörst, und wie der die Welt regiert, in dem Du selbst Deinen Ursprung hast; und dass die Dir zugemessene Zeit, wenn Du sie nicht nutzt, um Dich in Klarheit und Heiterkeit Deiner Seele zu üben, hin sein wird, so wie Du selbst, und nicht wiederkommt.

​ Handle, als sei es Dein Ende

Immer sei darauf bedacht, wie es einem guten Menschen geziemt, bei allem, was es zu tun gibt, eine strenge und ungekünstelte Gewissenhaftigkeit, Liebe, Freimütigkeit und Gerechtigkeit zu üben und Dir dabei alle Nebengedanken fern zu halten.

Und Du wirst sie Dir fern halten, sobald Du jede Deiner Handlungen als die letzte Deines Lebens ansiehst: fern jeder Unbesonnenheit und der Erregtheit, die Dich taub macht gegen die Stimme der richtenden Vernunft, frei von Verstellung, von Selbstliebe und von Unwillen über das, was das Schicksal daran hängt.

Du siehst, wie wenig es ist, was man sich aneignen muss, um ein glückliches und gottgefälliges Leben zu führen. Die Götter verlangen von uns nicht mehr.

. . .

Das war ein Einblick ins Buch "Meditationen: Stoische Selbstbetrachtungen von Marc Aurel – sprachlich überarbeitet und lyrisch kommentiert".

Falls du das Buch nach und nach gerne ganz lesen oder auch verschenken möchtest: Zu meiner Ausgabe über Amazon geht es hier.

 

Die Meditationen des Marcus Aurelius, Buchcover Abb.
Meditationen: Stoische Selbstbetrachtungen von Marc Aurel